erstmal der Flug

Vor unserem Flug in die Sonne

betete ich zu dem Touristengott,

damit keine mehrfach Verschwitzten

in meiner Nähe Sitzplatz bekommen.

Meinem Gebet wurde nachgegangen, bloß

zwei redseligen Rentnerinnen neben mir

quatschen Stunde um Stunde, ununterbrochen.

Irgendwann halte ich es nicht aus, gehe zum Platz, wo

Flugbegleiter ihr Kram haben, neben der Toilette

und jeder fragt mich, ob die Toilette frei wäre,

trotz zwei grünen Zeichen auf zwei Türen.

Wenn ich es bejahe – wirken sie erst ein wenig

ungläubig, ziehen unbeholfen am Griff

und schauen mich fragend an,

als ob ich denen Tür aufmachen sollte.

Irgendwann bin ich an meinem Platz zurück.

Rentnerinnen empfangen mich freudig:

„Wir haben sie schon vermisst!!! haha!

Wo sind sie denn abgeblieben?? haha!

Wollten sie aussteigen gell, hahaha!!!“

Mir bleibt es nicht übrig, als zu erwidern:

„Wenn sie weitere zwei Stunden sprechen,

bleibt mir nichts anderes übrig, hahaha,

nichts anderes, gell, hahaha“. Ich lächelte nett,

aber seitdem schweigen sie eingeschnappt.

Mein Sohn sitzt fünf Reihen von mir entfernt,

er hat keinen Draht zum Touristengott,

sein Sitznachbar ließ die stinkende Füße

aus den Schuhen zum Atmen raus. Meine

Tochter hat Glück: sie ist sofort eingeschlafen.

Veröffentlicht von

juliag

Julia Grinberg, Mitglied des „Salon Fluchtentier“ und Darmstädter Textwerkstatt. Zu hören bei Radio Lora München, Lesezimmer.de, zu lesen online bei: Verlagshaus Berlin, Signaturen, analog bei außer.dem, All Over Heimat, OSTRAGEHEGE, Jahrbuch der Lyrik 2021 (Schöffling), Worte in finsteren Zeiten (S.Fischer), Risse und Welt (Dillmann). Debütband "kill-your-darlinge" (Gutleut) ist 2019 erschienen. Header-Bild: Alexander Paul Englert